VerpflegungsManagement, 20.09.2023 – Laut Paritätischem Gesamtverband betrug die Armutsquote im Jahr 2021 in Deutschland fast 17 Prozent, das sind über 14 Millionen Menschen. Besonders betroffen waren Kinder und Jugendliche mit mehr 21 Prozent sowie Rentner mit knapp 18 Prozent. In der Folge sind viele von ihnen auch von Ernährungsarmut betroffen. Diese besteht Definitionen in Studien zufolge, wenn Menschen nicht zu allen Zeiten ausreichende, sichere und nahrhafte Lebensmittel erhalten, die sie für ein aktives und gesundes Leben brauchen.
Ernährungsarmut wahrnehmen
Genaue Daten zur Anzahl der von Ernährungsarmut Betroffenen gibt es in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern laut Informationen des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) zwar nicht. Dennoch waren sich die Referenten des 7. BZfE-Forums, das unter dem Titel „Ernährungsarmut in Deutschland – sehen, verstehen, begegnen“ auf den Bonner Ernährungstagen stattfand, einig: Ernährungsarmut in Deutschland stellt ein wachsendes Problem dar und die derzeitigen staatlichen finanziellen Hilfen reichen nicht aus.
So erklärte Eva Bell, Leiterin der Abteilung „Gesundheitlicher Verbraucherschutz, Ernährung“ im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): „Das Thema Ernährungsarmut hat im vergangenen Jahr besonders an Aktualität gewonnen. Es ist ein kontrovers diskutiertes Thema, das auch das BMEL adressiert. Wir setzen alles daran, dass alle Menschen gesund leben und alt werden können.“
Problem ist gesellschaftlich nicht anerkannt
Deutlich machten die Referenten aber auch: Ernährungsarmut werde von einem Teil der Gesellschaft nicht als ein Problem anerkannt, dessen Lösung Aufgabe der Politik ist. Die Verantwortung werde stattdessen oftmals den Betroffenen selbst zugewiesen, die aufgrund mangelnder Bildung oder fehlender Alltagskompetenzen ihre Ernährungsweise selbst verschuldeten. Insbesondere in den sozialen Medien seien sie bei Thematisierung dieses Problems auch Hass ausgesetzt, machten die Referenten deutlich.
Auch im Alltag sei es den von Ernährungsarmut betroffenen Menschen oftmals nicht möglich, am gesellschaftlichen sozialen Leben teilzuhaben – beispielsweise einen Kaffee trinken gehen oder nach ihren Vorlieben und Gewohnheiten essen gehen zu können. Dafür reiche das Bürgergeld nicht aus, fasst das BZfE die Problematik zusammen.
Kostenlose Kita- und Schulverpflegung
Neben höheren Regelsätzen wäre eine kostenlose Kita- und Schulverpflegung daher ein zentraler Hebel gegen Ernährungsarmut, waren sich die Referenten einig. Wie effektiv dieser ist, zeige das Beispiel Schweden: Kinder, die dort kostenloses Schulessen bekamen, waren größer, insgesamt gesünder und erzielten später ein höheres Einkommen - und für den Staat auch mehr Steuern.
Auch Margareta Büning-Fesel, Präsidentin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), betonte: „Ernährungsarmut in Deutschland ist definitiv ein Thema, um das wir uns auch als Ernährungscommunity kümmern müssen.“ Dies müsse sowohl durch Forschungsprojekte und die fachliche Unterstützung ehrenamtlicher Initiativen geschehen als auch durch eine gute Wissenschaftskommunikation, führte Büning-Fesel aus. Eva Zovko, Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung, ergänzte: „Mit dieser Veranstaltung machen wir das Thema Ernährungsarmut sichtbarer. Wir werden als Bundeszentrum für Ernährung dieses wichtige gesellschaftliche Thema auf jeden Fall kommunikativ weiter begleiten.“
jb