DGE-Arbeitstagung / Bonner Ernährungstage

Aufbruch in die (pflanzenbasierte) GV-Zukunft

Vor welchen Herausforderungen die GV aktuell steht und wie Konzepte für eine gesunde, nachhaltige und wirtschaftliche Verpflegung in Kliniken, Seniorenheimen, Kitas, Schulen und Mensen künftig aussehen müssen, war Thema der diesjährigen DGE-Arbeitstagung. Diese fand Ende August im Rahmen der Bonner Ernährungstage statt und vernetzte Vertreter der GV mit Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik.

VerpflegungsManagement, 01.09.2023 – Die Gemeinschaftsverpflegung (GV) ist nicht nur eine sehr komplexe Dienstleistung, sie steht aktuell auch mehr denn je vor großen Herausforderungen. Das wurde auf der diesjährigen Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) im Rahmen der Bonner Ernährungstage am 30. und 31. August im Wissenschaftszentrum Bonn deutlich. Über 200 Teilnehmer folgten der Einladung der beiden Kooperationspartner DGE und Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) in die ehemalige Bundeshauptstadt, um gemeinsam mit Experten aus Wissenschaft und Praxis über die Zukunft der GV zu diskutieren.

Mahlzeiten als gemeinschaftsstiftendes Element

Dabei zeigte Gunther Hirschfelder, Experte für Kulturgeschichte der Ernährung und Professor an der Universität Regensburg, innerhalb seines Vortrags zur kulturhistorischen Entwicklung der GV auf: Zwar steht die Branche durch individuelle Ernährungsstile, die Erosion gewachsener Mahlzeitenstrukturen, Homeoffice und steigende Kosten unter Druck. Dennoch ist die GV nicht nur zukunftsfähig, sondern auch wichtiger denn je.

Denn bereits seit der Antike gelten gemeinschaftliche Mahlzeiten als das zentrale Grundmuster der Ernährung – sei es bei den Pyramidenbauern, in den Klöstern, den mittelalterlichen Handwerkszünften bis hin zur heutigen modernen Kantine und Mensa. So stelle laut Hirschfelder das gemeinsame Essen eine besondere Form der Kommunikation dar, stifte Vertrauen und sei unabdingbar, um Gemeinschaft zu schaffen. Der Kulturwissenschaftler betonte vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen wie Inflation, Ukrainekrieg und Fachkräftemangel: „Wir brauchen auch in der Zukunft eine starke, integrierende und breit aufgestellte Gemeinschaftsverpflegung – ihre weitere Schwächung würde uns sozial, ökonomisch und ökologisch teuer zu stehen kommen.“

Qualität trotz steigender Kosten sicherstellen

Um steigenden Kosten effektiv entgegenzuwirken, benötige das Management von GV-Betrieben laut Torsten Olderog, AKAD University, Stuttgart, ein methodisches Kostenmanagement anstelle von pauschalen Kürzungsansätzen. Völlig neue Möglichkeiten könnten ihm zufolge beispielsweise Lösungen aus dem Bereich der Digitalisierung, KI und Robotik bieten. Dabei gewinnen vier Bereiche an Bedeutung gewinnen, hob Olderog hervor: Kostenanalyse, Kostenplanung und langfristige Perspektive, Kostenkontrolle, Benchmarking und Risikomanagement sowie Technologie und Automatisierung.

Wie Küchenleiter und Verpflegungsverantwortliche in rechtlicher Hinsicht mit steigenden Kosten umgehen können, ohne die Qualität zu vernachlässigen, beschrieb Christopher Zeiss, Professor an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen. So sei es wichtig, zwischen bestehenden und neu abzuschließenden Verträgen zu unterscheiden, erklärte Zeiss. Es könnten stufenweise Preiserhöhungen fest vereinbart werden, wenn während der Vertragslaufzeit steigende Qualitätsanforderungen, wie zum Breispiel ein erhöhter Bio-Anteil, vorgesehen sind. Auf veränderte Umstände wie aktuelle Krisensituationen könne so allerdings nicht flexibel reagiert werden. Der Rechtsexperte empfahl daher für zukünftige Verträge, Preisanpassungsmechanismen wie stufenweise Preiserhöhungen und juristisch anspruchsvollere Preisgleitklauseln vertraglich zu vereinbaren.

Pflanzenbasierte Ernährungsstile

Über die Chancen, Nutzen und Risiken veganer Ernährung in der GV sprach DGE-Präsident Bernhard Watzl. In seinem Vortrag hob er hervor, dass eine vegane Ernährung die verschiedenen negativen Umweltauswirkungen des Ernährungssystems und bei richtiger Anwendung das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten reduzieren könne. Angesichts fehlender Langzeitstudien zu aktuellen veganen Ernährungsweisen und deren gesundheitlichen Wirkungen sei ein veganes Speisenangebot in der GV sinnvoll, wenn es die etablierten Menülinien ergänzt, betonte der DGE-Präsident.

Bio-Wunschtraum in der GV-Praxis

Den Nutzen der durch die Bundesregierung unlängst beschlossenen Bio-Außer-Haus-Verpflegungs-Verordnung stellte Carola Strassner, Ernährungsexpertin an der Fachhochschule Münster, heraus. Die Verordnung soll Akteuren der GV Sicherheit in Bezug auf den Bio-Einsatz geben. Die Expertin im Bereich Ökotrophologie zeigte in ihrem Vortrag aber auch die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach mehr Bio in der Branche und der Realität auf, der die Politik durch unterstützende Maßnahmen wie gezielte Informationskampagnen für Kitas, Schulen und Kommunen, Förderung der Beratung von Betrieben und Bundeskantinen oder Modellregionen-Wettbewerbe zu begegnen sucht.

Technischen Innovationen

Welche vielfältigen Möglichkeiten sich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und technologischen Innovationen für die Verpflegungskonzepte der GV bereits jetzt und in Zukunft ergeben, erläuterte Kommunikationsdesigner und Berater Hendrik Haase. Diese reichen von erhöhter Lebensmittelsicherheit, mehr Transparenz und Nachhaltigkeit bis hin zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung.

Die Verschmelzung von Big Food Data – also große Mengen digital gesammelter Daten im Food-Bereich –, fortschrittlicher digitaler Sensorik, selbstlernenden Algorithmen (KI) und Echtzeitberechnungen ermögliche präzisere Vorhersagen und Anpassungen an Marktveränderungen sowie an wechselnde Konsumgewohnheiten der Gäste, erklärte Haase. Die digitale Revolution berge jedoch auch Herausforderungen: Darunter Abhängigkeiten von KI und Plattformen sowie fehlende Infrastruktur und Intransparenz. Ohne eine fokussierte digitale Strategie in der GV könnten die Potenziale für Deutschland nicht ausgeschöpft werden, betonte der Digitalisierungsexperte zum Abschluss der Tagung.

jb

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